
Im folgenden Interview habe ich Mandy und Ronald zu ihrer BDSM Lebensweise und ihrem CIS befragt. Die beiden leben sind schon über 20 Jahre ein Paar. Doch was genau ist CIS eigentlich?
CIS steht für Complete Irrevocable Submission, für diejenigen unter uns, die dem englischen nicht so mächtig sind : Vollständige und unumkehrbare Unterwerfung. Diese Unterwerfung beinhaltet auch den finanziellen Aspekt und das soziale Umfeld. Das vollständige Leben eben. Sie hört zu den extremsten Formen der Auslebung einer Beziehung. Eine gesunde Auslebung ist nur möglich und ich zitiere Mandy da gerne:”…wenn aufrechte Liebe im Spiel ist und beide das Beste miteinander vorhaben.”
Ich habe die beiden nacheinander Interviewt. Zuerst Ronald:
Wie kam es dazu, dass ihr festgestellt habt, dass CIS, das ist was euch noch glücklicher machen kann?
Wir sind fast 28 Jahre zusammen, seid ca. 6 oder 7 Jahren sind wir im BDSM unterwegs. In das Thema CIS sind wir irgendwie jedoch hereingerutscht. Ein Machtgefälle. Wir hatten kein Safeword mehr und Mandy nichts mehr selbst entscheiden sollte und auch vor allem wollte. Da haben wir uns in CIS wiedergefunden. Es macht uns glücklicher weil wir nun wir selbst sein können. Rituale und Regeln sorgen für mehr Ruhe und dadurch, dass wir im Homeoffice tätig sind können wir ohne großen Einfluss von Außen das Machtgefälle aufrecht erhalten.
Wie hat dir deine Frau mitgeteilt, dass sie “mehr” möchte?
Sie hat das Thema auf den Tisch gebracht und wir haben dann einfach experimentiert. Der Prozess dauert auch immer noch an, denn TPE und auch CIS sind immer ein Weg, kein Ziel. Sie hat wohl schnell festgestellt, dass der Wechsel zwischen Augenhöhe und nicht Augenhöhe einfach nicht klappte und damit habe ich diesen Aspekt einfach entfernt und ein ständiges Machtgefälle geschaffen. Dadurch hat sich unsere Beziehung ziemlich rasch vertieft.
Was ist für eine solche Beziehung essentiell wichtig?
Das Machtgefälle. Es hat sich durch unsere Entscheidung CIS leben zu wollen verstärkt. Wir leben es mehr nach außen aus. Es ist wichtig zu wissen, dass der devote Part dann im Grunde nichts mehr alleien entscheidet oder selbsständig tut, sondern nur auf Anordnung. Sie kennt ihre Regeln und ihre Aufgaben und führt diese aus. Vertrauen ist ebenfalls essentiell wichtig und dass wir offen miteinander reden. Durch diese Entscheidung sind wir noch offener miteinander. Es ist jedoch auch wichtig, dass meine Frau troz allem noch ihre Wünsche und Ängste äußern darf und auch soll. Ich muss schließlich wissen was in ihrem Kopf vor sich geht. Meine Frau ist stark und selbstständig, das war mir wichtig. Sonst kann es nicht funktionieren. Auch ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Regeln sich verändern, sich dem eigenen leben anpassen müssen, da man sich sonst fremd damit vorkommt. Sie sind immer im Fluss und verändern sich mit der Beziehung.
Was hat sich bei euch genau verstärkt?
Sie geht nicht mehr alleine aus dem Haus. Entscheidet auch nicht darüber. Mandy ist mein Besitz, sie hat also keinen eigenen. Sie besitzt keine Bankkarte. Ihre Krankenkassenkarte verwahre ich. Wenn sie einkaufen geht, bin ich immer dabei, genauso wie bei Arzt besuchen. Wir sind selbsständig, daher ist das für uns kein logisitsches Problem. Wir können unsere Zeit selbst einteilen. Ich entscheide über Essen und Trinken. Kaffee, Wasser und Obst steht ihr frei. Ich bestelle für Sie im Restaurant. Sie darf aber frei reden mit den Menschen um sich herum. Allerdings ist sie dabei immer rechts von mir. Imme rund überall. Das ist meine starke Seite, da kann ich sie auch beschützen.
Stellt euch das vor Probleme?
Gespräche in Gruppen sind manchmal ein Problem. Wenn die Gesprächsteilnehmer sich zwischen uns stellen habe ich Mandy nicht mehr im Blick. Ich fühle mich dann unwohl. Sie tun das ja nicht wissentlich oder mit Absicht, aber es ist immer wieder eine Herausforderung.
Wie wurde denn eure Beziehung am Anfang aufgenommen?
Ihre Mutter, welche schon lange bevor wir bewusst dieses Machtgefälle lebten, hat von Anfang an wohl gefühlt, dass ich dominant bin und sich Mandy mir irgendwie automatisch untergeordnet hatte. Da hat ihr nicht gefallen, weil sie für ihre Tochter andere Ideen hatte. Wir haben also bereits vor 28 Jahren ein Machtgefälle gehabt, unwissentlich. Aber Mandy hat nie etwas entschieden, ohne vorher meine Meinung zu hören. In Restaurants wird manchmal komisch geschaut, weil meine Frau keine Karte bekommt. Oder ich rede für Sie.
Wie sehen eure Kinder eure Beziehung?
Unsere Kinder haben schnell die Veränderung in der Beziehung gemerkt. Sie haben festgestellt, dass wir glücklicher sind. Wir streiten uns weniger. Wir sind uns näher gekommen. Der Jüngste war froh zu sehen, wie zärtlich und liebevoll wir nun miteinander umgehen und er damit die Bestätigung bekam, dass sich seine Eltern nicht so schnell trennen würden, welches er in seinem Freundeskreis nur all zu oft mitbekam. Unser ältester Sohn hatte da mehr Probleme, er konnte nicht verstehen wieso plötzlich Mandy als starke Frau sich unterordnet. Er hat meine Frau darauf angesprochen und sie hat es ihm erklärt. Damit war für ihn das Thema auch in Ordnung. Sie wissen wie sie mit meiner Frau umzugehen haben, wenn ich nicht mit meiner Frau unterwegs sein kann sorgen Sie für Sie. Sie bezahlen für Sie oder fahren Sie irgendwohin. Sie wissen dass sie mich zu fragen haben, wenn sie etwas von meiner Frau wollen oder etwas mit ihr machen möchten.
Würdest du sagen, dir hat vorher etwas gefehlt?
Nein, denn wir wussten es ja nicht. Wir sind einfach so in einem Machtgefälle gelandet, weil es das Beste für unsere Beziehung war. Wir haben durch diese Entwicklung eine tiefere Verbindung zueinander. Welches sich durch die Änderung,dass Mandy eben nichts mehr gehört, verstärkt hat, denn wir müssen jetzt mehr miteinander kommunizieren, wir müssen uns mehr miteianander beschäftigen, aufeinander achten. Als letzte Konsequenz daraus beschäftigen wir uns mehr mit uns selbst. Meine Frau muss mir alles mitteilen was ihr auf dem Herzen liegt, denn sonst kann ich nicht entscheiden was jetzt für mich das Richtige ist. Sowohl sexuell als auch im Alltag. Damit lernt man sich nochmal ganz neu kennen, weil sie viel mehr ihre sanfte Seite zeigen musste, was sie davor weniger tat. Sie war vorher immer die “Stärkere” in der Beziehung. Jetzt ist sie jedoch ausgeglichener.
Gibt es noch Sicherheiten? Safewords oder ähnliches?
Hatten wir zu Beginn. Es hat jedoch nicht funktioniert. Und mittlerweile kennen wir uns so gut, dass ich sie sehr gut einschätzen kann, daher haben wir keines. Ich weiß wie weit ich gehen kann.
Nochmal zu den Kindern: Wenn man es so wie ihr vorlebt, verhindert es nicht eine offene Entwicklung der Kinder?
Wir leben es vor, ja aber altersgerecht. Als wir unser Machtgefälle entdeckten waren Sie 11 und 14, mittlerweile 19 und 22, jetzt leben wir es erst vollständig offen aus, auch den Kindern gegenüber. Das sexuelle ist und bleibt in jeder Hinsicht jedoch privat. Aber ja, meine Frau bekommt auch mal eine Anweisung, beispielsweise auf die Knie zu gehen. Jedoch haben unsere Kinder dies immer in Verbindung mit einem glücklichen Ehepaar, glücklichen Eltern gesehen. Ohne große Streiterein. Ja unsere Jungs sind schon recht dominanz, aber auch hier nur solange es die Freundinnen zulassen. Sie haben alte Werte vorgelebt bekommen, vor allem ein Gentleman zu sein. Aber ich denke, dass steckt in einem oder man wird es eben nie. Also nein, es hat unseren Kindern nicht geschadet, eher sehen sie die Welt mit offeneren Augen.
Du sagtest vorhin, ihr arbeitet im eigenen Betrieb. Wie läuft das mit euch beide da ab?
Nun, da ist Mandy nicht weniger dominant als ich. Sie dnekt schneller, ihre Auffassungsgabe ist sehr schnell. Bezüglich Entscheidungen werde jedoch auch immer ich gefragt.
Nun das Interview mit Mandy:
Was sind für dich die Schwierigkeiten mit CIS? Bzw. Waren es?
Grundsätzlich ist CIS eine sehr schöne Lebensweise, wenn sie aus Liebe heraus geführt wird.. Manchmal habe ich Zweifel, wenn es im allgemeinen nicht so gut läuft. Oder in der Vanilla Umgebung (Erklärung : Nicht BDSM Umgebung), da muss ich mich der Situation anpassen. Personen drängen sich zwischen mir und Ronald. Aufmerksamkeit muss dann höher sein, weil die Regeln dann einfach nicht eingehalten werden können. Es ist anstrengend, da dann kein gleichmäßiger Rhythmus gegeben ist.
Wo war am Anfang die Schwierigkeit?
Der Wechsel von Augenhöhe auf nicht Augenhöhe. Wir wusste nie, auf welcher Ebene wir uns befanden. Sollte oder durfte er jetzt dominant sein? Muss ich jetzt devot sein? Daher haben wir die Augenhöhe einfach abgeschafft. Dies bedeutet aber nicht, dass meine Meinung nicht mehr gefragt ist. Sowohl privat als auch beruflich darf ich Vorschläge machen, weil mein Wissen ja auch genutzt werden soll, jedoch entscheidet am Ende Ronald über diesen Vorschlag. Mittlerweile mache ich sogar mehr Vorschläge als früher.
Also ist die Kommunikation zwischen euch gestiegen?
Ja. Auch Diskussionen sind möglich. Seine Meinung zu äußern ist wichtig. Zumal ich meist weiter voraussdenke als Ronald. Ich begründe auch meinen Standpunkt. Die letzte Entscheidung trifft trotzdem Ronald.
Gab es nirgendwo mal Streit?
Doch, im Bezug auf die Erziehung der Kinder. Solange ich aktiv für die Erziehung verantwortlich war, habe ich unsere Beziehung auch nie im CIS gesehen, aber in TPE mit Abstrich Kindererziehung.
Würdest du zukünftige Kinder genauso erziehen wie die jetzigen?
Ja. Man muss dann eben Kompromisse finden. Gegenüber den Kindern muss ich dann manchmal auch dominant genug sein. Unsere Kinder haben unseren Lebensweg so akzeptiert weil wir glücklich sind. Wir sind entspannter im Umgang miteinander. Das würde ich auch bei meinen zukünftigen Kindern so wünschen. Ich würde nicht im CIS leben aber auch hier in TPE mit Abstrich Kindererziehung.
Wie sieht es mit Brandings oder Tattoos aus? Als Besiegelung eures Verhältnisses?
Vor 6 Jahren habe ich ein Tatto bekommen auf meinem Venushügel mit den Worten “Eigentum von” und dann Ronalds unterschrift. Im März 2019 habe ich ein Branding bekommen mit seiner Unterschrift auf der rechten Arschbacke. Ronald ist sehr stolz drauf und ich trage es mit Stolz für ihn.
Gab es eigentlich auch einmal einen Sklavenvertrag?
Am Anfang haben wir einen vereinbart, damit wir uns bewusst wurden, in welche Richtung es gehen soll. Es war für den Prozess der Entwicklung wichtig. Auch Rituale waren darin enthalten, wie Tee ans Bett bringen. Er verändert sich ständig. Manche Regeln verändern sich einfach, weil sie dann Ronald besser passen. Mittlerweile habe ich die Regeln und Rituale aber so verinnerlicht, dass es keine Regeln mehr sind, sondern zur Lebensweise geworden sind.
Was würdest du jemanden auf dem Weg geben, der sich für das Thema CIS interessiert?
Immer auf das Bauchgefühl hören. Stolz auf sich selbst zu sein. Keine Zweifel zulassen, wenn man sich sicher ist. Jedoch auch die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Ein gemeinsames Leben ist für mich Voraussetzung, damit es funktioniert. CIS entwickelt sich jedoch und man entscheidet sich nicht von heute auf morgen. Wir sind ja auch einfach reingerutscht. CIS ist ein Prozess in dem man sich wiederfindet, wenn sowohl Beziehung und Machtgefälle zusammenpassen und der eine die Kontrolle abgeben will jedoch auch der andere diese Übernehmen will und beide somit trotz allem eine große Verantwortung haben.
Was möchtest du sonst noch sagen?
CIS ist für uns wie gesagt, ein Prozess und keine Wahl gewesen. Die Intensität von Macht und Kontrolle tut uns und unserer Beziehung gut, weil es harmoniert. Es ist kein Beziehungskonzept was man “mal eben” ausprobieren kann. CIS ist in unserem Fall eine Beziehungsform, die nach “Alles oder Nichts” lebt. Wenn CIS nicht mehr funktioniert, dann funktioniert auch die Beziehung nicht mehr, dann gibt es nur die Trennung. Es gibt keinen Zwischenweg…daher für uns definitiv complete und irrevocable.